Die Tücken des Arbeitsrechts

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Das deutsche Arbeitsrecht ist leider nur schwer zu erfassen.

Das hat die Stiftung Bertelsmann in ihrem erschienene Werk “System Arbeitsmarkt” zutreffend in einer Bestandsaufnahme dargestellt und Optimierungs- und Verbesserungsvorschläge unterbreitet. Diese zielen hauptsächlich darauf, Unzulänglichkeiten, Widersprüche und Doppelregelungen zu beseitigen. Allein das würde die Große Koalition schon hinreichend beschäftigen.

Insbesondere aber wird die Kodifizierung eines “Arbeitsvertragsgesetzes” gefordert.

Es gibt nämlich – noch – kein Gesetz, das sämtliche Regelungen des Arbeitsvertragsrechts sinnvoll zusammen fasst, wenngleich ein Entwurf längst vorliegt.

Im Beck-Verlag erscheint eine umfangreiche Gesetzesauswahl als “Arbeitsgesetze” in der dtv-Ausgabe, derzeit erhältlich in der 72. Auflage.

Für den/die ArbeitsrechtlerIn ist es das Grundwerkzeug für die tägliche Arbeit, Laien werden allerdings bei der Vielzahl der hier zusammen gestellten Gesetze “erschlagen”. Nicht in diese Sammlung eingeflossen sind – freilich – die sich immerfort ändernde Rechtsprechung und die Regelungen der Tarifverträge.

Ohne Kommentierung oder Beratung ist die Sammlung leider nur schwer handhabbar.

Ein Beispiel: Beabsichtigt jemand, Regelungen zum Abschluss eines Arbeitsvertrages zu finden, wird die Geduld auf eine harte Probe gestellt. Ist der Arbeitsvertrag nun schriftlich abzuschließen oder nicht? Welche Inhalte gehören hinein?

Der Auszug aus dem BGB (Ordnungsziffer 11) lässt für Nicht-JuristInnen viele Fragen offen. Erst unter dem “NachwG”, (Nachweisgesetz, Ord-Ziff.15) werden wesentliche Fragen beantwortet.

Gem. § 2 NachwG nämlich hat der Arbeitgeber spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses die wesentlichen Vertargsbedingungen schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und diese dem Arbeitnehmer auszuhändigen. Was passiert eigentlich, wenn das jemand unterlässt? Oder wenn der Vertrag zwei Monate später mit den erforderlichen Inhalten auf den Tisch gelegt wird? Dazu enthält das Gesetz keine Aussage.

Was der/die ArbeitgeberIn daraus nicht ersehen kann, ist, dass bei Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages zwingend die Schriftform einzuhalten ist. Das ergibt sich aus § 14 abs. 4 TzBfG (Teilzeitbefristungsgesetz), welches sich in der Beck-dtv-Sammlung – immerhin – unmittelbar nach dem NachwG unter der Ordnungsnummer 16 befindet.

Zwischen den Zeilen steht, und auch das können nur JuristInnen oder praxiserfahrene PersonalerInnen wissen, dass bei einer Befristung der schriftliche Vertrag vor Antritt der Beschäftigung vorliegen muss, ansonsten darf man sich über den/die neue/n unbefristet eingestellte/n ArbeitnehmerIn “freuen”. Eine etwaige Entfristungsklage des/der ArbeitnehmerIn hätte ein ziemlich eindeutiges Ergebnis…

Ein weiteres Beispiel: Die Fragen zur Gewährung von Teilzeitarbeit sind in zwei Gesetzen (!) geregelt, nämlich im bereits benannten TzBfG sowie im BErzGG (Bundeserziehungsgeldgesetz). Im TzbfG sind alle Beschäftigten betroffen, im BErzGG nur die, die während der Elternzeit bis zu 30 Stunden wöchentlich arbeiten wollen.

Die Voraussetzungen sind im Wesentlichen – bis auf einige Nuancen – dieselben. Es stellt sich nun die Frage, warum dasBErzGG (eigentlich seit Anfang 2007 BundeselterngeldG) überhaupt die Frage der Teilzeittätigkeit von ElterngeldbezieherInnen regelt.

Die Sonderregelungen in den Tarifverträgen bleiben dazu noch “außen vor”.

Die Liste der Unzulänglichkeiten und Widersprüche im deutschen Arbeitsrecht kann bis Unermessliche fort geführt werden.

Dennoch: Es gibt keinen Grund, das Arbeitsrecht im Unternehmen stiefmütterlich zu behandeln. Es gibt zahlreiche Praxishinweise und-ratgeber, derer man sich leicht und schnell bedienen kann.

Die Mindestvoraussetzung für eine gute Unternehmenskultur ist die Berücksichtigung und Einhaltung der gesetzlichen und tariflichen Rahmenbedingungen, auch wenn dies aus den oben genannten Gründen oft schwer fällt.

Kurz: Wie soll eine gedeihliche Zusammenarbeit funktionieren, wenn der/die UnternehmerIn schon die gesetzlichen/tariflichen Regelungen – bewusst – unbeachtet lässt?

Eine Randnotiz: Man muss das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) nicht lieben, aber man muss zumindest die Bereitschaft aufbringen, sich damit sachlich auseinander zu setzen und es nach bestem Wissen und Gewissen umzusetzen. Was soll ein/e ArbeitnehmerIn denken, wenn es heißt, “In unserem Unternehmen gilt das aber nicht…”.

Das hat m.E. auch etwas mit Unternehmergeist im positiven Sinne zu tun – das Wissen, dass sich gesetzliche, wirtschaftliche und gesellschaftliche Rahmenbedingungen jederzeit ändern können und die Bereitschaft, sich früh genug darauf einzustellen, um auf dem Markt bestehen zu können. In einer Wissensgesellschaft handelt es sich um dabei um eine Überlebensstrategie.

Das Warten auf DEN wirtschaftsfreundlichen Regierungschef schlechthin, der etwa dem Mittelstand sämtliche Barrieren aus dem Weg räumt, hat demgegenüber nichts mit Unternehmergeist zu tun, sondern ist illusorisch – und für einen Unternehmer zuviel Staatsglaube. Leider höre ich derartige Klagen und Lamentis zu oft.

Man ziehe einmal eine Parallele zu anderen unternehmensrelevanten Fragen, hier sind auch Kenntnisse der besonderen Art gefordert, die unternehmerischen Risiken sind gleichwohl höher, etwa bei der Einführung eines kosten- und zeitaufwändig entwickelten Produkts. Unwägbarkeiten lassen sich hier kaum ausschließen, bei einem Scheitern verwirklicht sich das typische unternemerische Risiko. Noch problematischer sieht es bei der Beschaffung von Fremdkapital aus, Basel II lässt grüßen.

Unwägbarkeiten und Risiken lassen sich bei Gestaltung und Abschluss eines Arbeitsvertrages aber auf ein Minimum reduzieren. Der Bereich ist nahezu vollständig regelbar und damit von seiten des Unternehmens zu organisieren. Solange dies der Fall ist, solange also schwierige Sachverhalte durch kluge Planung beherrschbar sind, besteht kein Grund zur Panik. Einen bei weitem höheren Planungsaufwand betreibt der/die UnternehmerIn womöglich bei der Einkaufspolitik, bei der Produktentwicklung, beim Marketing.

Dass sich ein/e UnternehmerIn auch in Krisenzeiten an vertragliche Vereinbarungen zu halten hat, auch an Arbeitsverträge, dürfte einleuchtend sein.

Ob die Zusammenarbeit dann auf Basis dieses Vertrages erfolgreich sein wird, steht auf einem anderen Blatt. Der Erfolg einer Zusammenarbeit ist zu einem beachtlichen Teil wiederum der Führung des Unternehmens zuzuschreiben, der internen Kommunikation, der Unternehmenskultur.

Und natürlich auch dem Verhalten des/der Beschäftigten.

Letzteres ist vielleicht das größte unternehmerische Risiko bei der Einstellung von Personal, zumal es mit der Dauer der Beschäftigung steigt. Aber was ist unternehmerische Tätigkeit ohne Risiko?

M. Meßing – der Arbeitsrechtsanwalt

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